Die Urner Künstlerin Franziska Furrer ist seit Februar in Berlin. Den Atelier-Aufenthalt fördert die Kunst- und Kulturstiftung Uri. Für Franziska Furrer ein wichtiger Impuls.
Nicht allzu selten ist weniger eben mehr. Dass in dieser bekannt widersprüchlichen Aussage mal wieder ein Stück Wahrheit liegt, erfährt gerade die Urner Künstlerin Franziska Furrer.
2019 erhielt sie das Berlin-Atelier der Zentralschweizer Kantone, das die Kunst- und Kulturstiftung Uri zu der Zeit für das Jahr 2021 ausschreiben konnte. Seit Februar nun lebt Franziska Furrer mit ihrem Mann und den beiden Kindern in der Millionenmetropole, die als Deutschlands Bundeshauptstadt nicht nur auf dem politischen Parkett eine Rolle spielt, sondern seit jeher auch eine besondere Anziehungskraft auf Kunstschaffende und Kreative jeglicher Couleur ausübt. Und dann kam Corona und damit eine ungeahnte Bremskraft auch im Alltag einer gewohnt quirligen Grossstadt.
„Es ist viel ruhiger in Berlin als sonst“, erzählt die Urnerin im Videoanruf. Zu Anfang ihrer Ankunft sei alles geschlossen gewesen; Restaurants, Museen, Galerien – eben alles, worauf man sich beim Besuch in einer grossen Stadt freut. Nur langsam gehe das ein oder andere auf. Für einige Museen gebe es inzwischen Zeitfenstertickets, die man buchen könne. „Der Vorteil ist, dass es nicht so hektisch ist. Man hat automatisch nicht das Gefühl, dass man alles schaffen muss, was es zu sehen gibt“, berichtet Franziska Furrer von einem eher entspannten Aufenthalt. Denn auch dem Familienleben in Berlin bekomme es besser, wenn man es ruhiger angehen lassen könne und nicht in jede Ausstellung „rennen“ müsse. Vielmehr sei es sehr schön, überall Kaffee und Kuchen und heisse Schokolade für die Kinder (alles to go) geniessen zu können. „Uns geht es allen sehr, sehr gut hier.“
Natürlich sei Sinn und Zweck eines Atelier-Aufenthaltes für eine Künstlerin oder einen Künstler, möglichst viel anderes zu sehen und zu erleben. „Vorteil ist nun aber, dass ich eher im Atelier schaffen und mich auf die eigene Arbeit konzentrieren kann.“ Besagtes Atelier liegt im Berliner Stadtteil Wedding – in einer ehemaligen Fabrikanlage; umgebaut zu mehreren Atelier-Wohnungen, wo Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt Platz für kreatives Schaffen und Leben finden. „Es ist wirklich super“, schwärmt die Altdorferin von grossen und hellen, Licht durchfluteten Räumen, über die sie daheim in Uri so nicht verfügen könne.
Ausserdem schätzt Franziska Furrer an Atelier-Aufenthalten, dass man als Künstler die Gelegenheit bekommt, eine andere Welt zu entdecken, der Enge des eigenen Umfelds für eine Zeit lang entrücken zu können. „Ich mag die Anonymität einer Grossstadt sehr gerne und merke, es geht auch anders.“
Für die Altdorferin ist Berlin nicht der erste Atelier-Aufenthalt. 2008 erhielt sie ein Atelierstipendium in New York, 2018 eines in Paris. Während ihr die französische Hauptstadt von der Warte der Kunst aus eher intellektuell vorkam und in New York quasi jeder Mensch durch alle Sparten ein Künstler sei, so empfinde sie Berlin als einen Ort, an dem man einfacher mit Leuten in Kontakt kommen könne. „Das hat natürlich auch mit der Sprache zu tun, man kann sich einfacher verständigen“, erzählt Franziska Furrer. „Aber die Menschen hier sind auch mega nett. Und Berlin ist sehr familienfreundlich.“
An der Stadt gefällt der Urnerin ausserdem, dass man dauernd über ein Stück Geschichte stolpere. „Ich lese gerade viel über Berlin während der Mauerzeit, das ist sehr interessant.“ Auch wenn es für Franziska Furrer bereits der dritte Berlinbesuch ist, so war der Fernsehturm am Alexanderplatz dieses Mal der erste Punkt auf der Sightseeing-Liste. „Er ist so präsent, man sieht ihn von überall aus, das ist für uns aus Uri eine ungewohnte Sicht“, erzählt die gebürtige Isenthalerin.
„Hier in Berlin mischt sich Altes mit Neuem, Planbares mit Unplanbarem und das nimmt Einfluss auf mich. Es macht etwas mit mir.“ Alles, was sie sehe und erlebe sowie der Kontakt mit anderen, gebe ihr Inspiration und lade sie mit neuer kreativer Energie auf. „Ich habe jetzt mit etwas ganz anderem angefangen“, berichtet die Künstlerin. Zwar habe sie bereits vorher schon mal etwas mit Papier gemacht, aber plötzlich werde ihre Arbeit farbig. „Es ist ein Impuls. Es wandelt sich etwas in mir.“ Derzeit experimentiere sie mit gefärbtem Wassereis, das sie auf unterschiedlichen Papierarten schmelzen und zerfliessen lasse und diese Gebilde dann in Einzelteile zerschneide und von Hand verwebe. „Das hat etwas Unkontrollierbares. Es entsteht etwas ganz anderes als ich mir vorgestellt habe“, erzählt Franziska Furrer und gibt einen ersten Einblick in ihr aktuelles Schaffen.
Noch bis Mai dauert das Berlin-Atelier. Doch die Familie überlegt bereits jetzt, bis Ende Juni in Deutschland zu bleiben und einen Monat dranzuhängen. Schliesslich gebe es noch so viel zu entdecken – auch ausserhalb von Museen und Galerien. Wieder einmal ist weniger eben mehr.